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Sotatercept: Perikarderguss - Aktualisiserung der Fach- und Gebrauchsinformation
16.12.2025
Wirkstoff: Sotatercept
Im Rahmen des europäischen Verfahrens zur Bewertung der periodischen Sicherheitsberichte (PSUR Single Assessment) wurde für den Wirkstoff Sotatercept auf Empfehlung des Ausschusses für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) Perikarderguss als neue Nebenwirkung in die Fach- und Gebrauchsinformation aufgenommen.
Im Rahmen des letzten periodischen Sicherheitsberichts (PSUR) nach der Zulassung von Sotatercept wurden 19 Fälle von Perikardergüssen bei der Anwendung von Sotatercept umfassend bewertet. Vier Fälle wurden aus interventionellen Studien und 15 Fälle nach der Markteinführung berichtet. Es ist bekannt, dass die pulmonale arterielle Hypertonie (PAH) und deren Progression ein Risikofaktor für die Entstehung von Perikardergüssen sind. Jedoch wurde in einigen berichteten Fällen der Perikarderguss trotz stabilem PAH-Verlauf oder Verbesserung der PAH-Hämodynamik beobachtet und daher eine iatrogene Ursache des Perikardergusses vermutet. Darüber hinaus wurde im Dezember 2024 eine klinische Phase-II-Studie mit dem ähnlichen Arzneimittel Cibotercept (eine Ligandenfalle für Rezeptor Typ IIB [ActRIIB]) wegen Perikardergüssen abgebrochen und die klinische Entwicklung des Präparates eingestellt. Angesichts dieser Meldungen wurde der Zulassungsinhaber von Sotatercept aufgefordert, eine ausführliche Analyse aller gemeldeten Fälle von Perikardergüssen vorzulegen.
Eine Suche nach Fallberichten in interventionellen und nicht interventionellen Studien sowie im Spontanmeldesystem (EudraVigilance-Datenbank) ergab unter Berücksichtigung einer Doppelmeldung (Duplikat) insgesamt 19 Fälle von Perikardergüssen, darunter fünf Fälle von Perikardtamponaden. Die statistische Berechnung des Quotenverhältnisses (Reporting Odds Ratio; untere Grenze ROR(-)) für Perikarderguss bzw. Perikardtamponade ergab die Werte 108,37 bzw. 33,78. Diese hohen Werte sprachen gegen die Hintergrundinzidenz von PAH als ein Störfaktor. Allerdings wurden in 12 Fällen andere Arzneimittel wie Prostazyklinanaloga angewendet und/oder es bestanden Bindegewebserkrankungen (vor allem Sklerodermie), die einen Perikarderguss verursacht haben könnten.
Auch in der Literatur wurde über Perikardergüsse bei der Anwendung von Sotatercept berichtet. Hoeper et al.1 berichteten über zwei placebokontrollierte Phase-III-Studien (STELLAR und ZENITH) mit insgesamt 428 Patienten mit PAH. In diesen zwei Studien wurden keine signifikanten Unterschiede zwischen Sotatercept und Placebo bei der Entstehung von Perikardergüssen beobachtet. Sahay et al.2 berichteten über 384 mit Sotatercept behandelte Patientinnen und Patienten, von denen 20 (5,2%) einen Perikarderguss entwickelten. Bei der Mehrheit (13/20) war die PAH assoziiert mit Bindegewebserkrankungen. Elf von den 20 entwickelten Perikardergüsse trotz Verbesserung ihrer PAH-Hämodynamik, sodass ein kausaler Zusammenhang zwischen Perikarderguss und Sotatercept vermutet wurde. Larson et al.3 schilderten die Fälle von vier Patienten bzw. Patientinnen, bei denen Sotatercept zur Entwicklung eines neuen Perikardergusses oder Verschlimmerung eines bestehenden Perikardergusses führte. Zwei von ihnen entwickelten Perikardtamponaden. Nach der Dosisreduzierung bzw. dem Absetzen von Sotatercept kam es zur Verbesserung des Perikardergusses. McKenna et al.4 berichteten von fünf Patientinnen und Patienten, die nach zwei- bis achtmonatiger Therapie mit Sotatercept Perikardergüsse entwickelten. Drei hatten sklerodermieassoziierte PAH. In einem Fall kam es zur Entwicklung eines neuen Perikardergusses und in vier Fällen zur Verschlimmerung eines bestehenden Perikardergusses trotz stabilem PAH-Verlauf oder Verbesserung der PAH-Hämodynamik.
Der Pathomechanismus des Perikardergusses bei der Anwendung von Sotatercept ist nicht geklärt, unter anderem wurden mögliche Off-Target-Effekte von Sotatercept an knochenmorphogenetischen Proteinen postuliert. In der Publikation von Pulkkinen et al.5 wurde das knochenmorphogenetische Protein 2 (bone morphogenetic protein 2 [BMP2]) mit der Entwicklung von Perikarderguss in ischämischem Schweineherzmuskel in Verbindung gebracht. Knochenmorphogenetische Proteine sind ein Bestandteil des TGF-β-Signalwegs. In der Publikation von Tager et al.6 wurde darauf hingewiesen, dass die Bindung von Activin A durch Sotatercept eine Kaskade entzündlicher Reaktionen hervorrufen könnte und dass der TGF-β/Activin-Signalweg eine Rolle bei der Gefäßintegrität spielt, dessen Hemmung würde zu einer erhöhten Kapillarpermeabilität und infolgedessen zum Perikarderguss führen.
Auf Basis der Analyse aller vorliegenden Daten im letzten PSUR Single Assessment (PSUSA/00011076/202503) war der PRAC zu der Auffassung gelangt, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen Perikarderguss und der gleichzeitigen Anwendung von Sotatercept zumindest eine begründete Möglichkeit ist. Der PRAC kam zu dem Schluss, dass die Nebenwirkung Perikarderguss mit der Häufigkeit „nicht bekannt“ zur Produktinformation von Sotatercept hinzugefügt werden soll.
Bei mit Sotatercept behandelten PAH-Patienten, die im Verlauf der Therapie einen Perikarderguss entwickeln, sollte auch an die Möglichkeit eines sotaterceptinduzierten Perikardergusses gedacht werden.
Über das Arzneimittel:
Sotatercept (Winrevair) ist ein rekombinantes Fusionsprotein, das aus der extrazellulären Domäne des humanen Aktivin-Rezeptors Typ IIA (ActRIIA) und einer humanen IgG1-Fc-Domäne besteht. Es bindet als Ligandenfalle hochselektiv Aktivin A, ein dimeres Glykoprotein, das zur Liganden-Superfamilie des Transforming-Wachstumsfaktors-β (transforming growth factor, TGF-β) gehört. Dadurch wird die Bindung von Aktivin A an seinen Rezeptor (ActRIIA) verhindert, der Schlüsselsignale bei Inflammation, Zellproliferation, Apoptose und Gewebehomöostase reguliert. Sotatercept in Kombination mit anderen Therapien ist für die Behandlung von pulmonaler arterieller Hypertonie (PAH) zugelassen.
1 Hoeper MM et al.: STELLAR and ZENITH trial investigators. Pericardial effusion in sotatercept phase 3 trials: insights from STELLAR and ZENITH. Eur Respir J. 2025;66(3):2500768. doi: 10.1183/13993003.00768-2025. PMID: 40774811; PMCID: PMC12461899
2 Sahay S et al.: Pericardial effusions and sotatercept therapy in pulmonary arterial hypertension: a multicentre, real-world experience. Eur Respir J. 2025;66(4):2501040. doi: 10.1183/13993003.01040-2025. PMID: 40774808
3 Larson J et al.: Sotatercept and the Development of Pericardial Effusions: An Emerging Safety Signal. Chest. 2025. doi: https://doi.org/10.1016/j.chest.2025.07.4083
4 McKenna AM et al.: A Case Series: Pericardial Effusion in Patients Treated With Sotatercept. Pulm Circ. 2025;15(3):e70162. doi: 10.1002/pul2.70162. PMID: 40922947; PMCID: PMC12414260
5 Pulkkinen HH et al.: BMP2 gene transfer induces pericardial effusion and inflammatory response in the ischemic porcine myocardium. Front Cardiovasc Med. 2023;10:1279613. doi: 10.3389/fcvm.2023.1279613. PMID: 38028463; PMCID: PMC10655027
6 Tager D et al.: Pericardial Effusion and Prostacyclin Analog Toxicity After Initiation of Sotatercept. Pulm Circ. 2025;15(3):e70141. doi: 10.1002/pul2.70141. PMID: 40717711; PMCID: PMC12296709