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Hydroxyethylstärke (HES): Überprüfung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses
18.10.2016
Wirkstoff: Hydroxyethylstärke
18.10.2016 - Stufenplanbescheid des BfArM: Ruhen der Zulassung
Mit Bescheid vom 12.10.2016 hat das BfArM das Ruhen der Zulassungen nun bis zum 01.11.2017 angeordnet. Der Bescheid ist nicht bestandskräftig. Die Arzneimittel dürfen derzeit in Verkehr gebracht werden.
16.12.2015 - Stufenplanbescheid des BfArM: Ruhen der Zulassung
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat mit Bescheid vom 30.09.2015 das Ruhen der Zulassungen für HES-haltige Arzneimittel der Firma Serumwerk Bernburg AG bis zum 30.09.2016 angeordnet.
Der Bescheid ist nicht bestandskräftig. Die Arzneimittel dürfen derzeit in Verkehr gebracht werden.
05.03.2014 - Durchführungsbeschluss der Europäischen Kommission: Bescheid im Stufenplanverfahren
Die Europäische Kommission hat am 19.12.2013 entschieden, das HES-haltige Infusionslösungen nur noch als Arzneimittel der 2. Wahl und unter Beachtung neuer Kontraindikationen angewendet werden sollen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat mit Änderungsbescheid vom 27.02.14 die Frist für diese Textanpassungen geändert. Für die Arzneimittel, bei denen der Zulassungsinhaber schon auf die Zulassung verzichtet hatte, wurde zeitgleich ein Feststellungsbescheid versendet.
28.10.2013 - Empfehlungen des PRAC
Im Rahmen seiner Oktobersitzung beendete der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) der europäischen Arzneimittelagentur (EMA) seine Bewertungsverfahren zu HES-haltigen Infusionslösungen mit den folgenden Empfehlungen:
HES sollte bei Patienten mit Sepsis, bei kritisch kranken Patienten sowie bei Patienten mit Verbrennungen nicht mehr angewendet werden, weil die Anwendung bei diesen Patienten mit einem erhöhten Risiko für Nierenschäden und Mortalität assoziiert ist. HES-haltige Infusionslösungen können weiterhin für eine eingeschränkte Patientenpopulation angewendet werden. So kann HES weiter bei Patienten mit Volumenmangel aufgrund von akutem Blutverlust eingesetzt werden, wenn die Behandlung mit kristalloiden Infusionslösungen allein nicht ausreichend ist. In diesen Fällen sollen allerdings zusätzliche Maßnahmen zur Risikominimierung getroffen werden.
Zusätzlich forderte der PRAC von den pharmazeutischen Unternehmern weitere Studien zur Anwendung von HES bei Traumapatienten und bei Patienten, die sich nicht zwingend erforderlichen Eingriffen unterziehen.
Die PRAC-Empfehlung wurde von der Koordinierungsgruppe (Coordination Group for Mutual Recognition and Decentralised Procedures – Human (CMDh)), auf ihrer Oktobersitzung mehrheitlich angenommen. Die finale Verabschiedung einer rechtlich verbindlichen Entscheidung obliegt nun der Europäischen Kommission.
Im Bulletin zur Arzneimittelsicherheit, Ausgabe 1, März 2013 hatte das BfArM zu diesem Thema bereits berichtet.
19.07.2013 - Start des Verfahrens nach Artikel 107i der Richtlinie 2001/83/EG
Das BfArM informiert über die Einleitung eines europäischen Risikobewertungsverfahrens nach Artikel 107i der Richtlinie 2001/83/EG. Das Verfahren wurde durch eine in Großbritannien angeordnete Marktrücknahme automatisch ausgelöst. Im Anschluss an das am 13.06.2013 beendete Risikobewertungsverfahren nach Artikel 31 läuft nun gleichzeitig ein Widerspruchsverfahren nach Artikel 32 der Richtlinie 2001/83/EG. Gegenstand der Bewertung dieser Verfahren sind alle Daten zum Nutzen und Risiko HES-haltiger Arzneimittel, nachdem Studien ein möglicherweise erhöhtes Risiko für Nierenschädigungen und eine mögliche Übersterblichkeit gezeigt haben.
Details zum Artikel 107i-Verfahren können bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) abgerufen werden.
Die EMA lädt alle Interessengruppen (z.B. Ärzte, Patientenorganisationen, die allgemeine Öffentlichkeit) dazu ein, relevante Daten zum Verfahren bis zum 5. August 2013 einzureichen. Das Einreichungsformular (Stakeholder’s submission form) und eine Fragenliste des Ausschusses für Risikobewertung in der Pharmakovigilanz (PRAC list of questions) befinden sich unter dem oben angegebenen Link und dem Feld „data submission“. Daten können nur zur Fragenliste und nur mit dem angegebenen Einreichungsformular bei der EMA eingereicht werden.
25.03.2013 - Start des Verfahrens nach Artikel 31 der Richtlinie 2001/83/EG
Die Europäische Arzneimittelagentur hat auf Antrag des BfArM ein Risikobewertungsverfahren zur grundlegenden Überprüfung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses von HES-haltigen Infusionslösungen eingeleitet.
Hydroxyethylstärke (HES)-haltige Arzneimittel sind kolloidale Volumenersatzmittel, die in der Notfall- und Intensivmedizin als Infusionslösungen hauptsächlich zur Therapie und Prophylaxe einer Hypovolämie und zur Volumensubstitution bei Schock angewendet werden.
Im Jahr 2012 wurden die Ergebnisse von zwei neuen großen klinischen Studien (6S Studie* und CHEST**) publiziert, die eine umfassende Neubewertung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses der Anwendung HES-haltiger Arzneimittel notwendig machten, da in den Studien eine HES-Anwendung im Vergleich zur Anwendung kristalloider Infusionslösungen mit höheren Risiken verbunden war. In keiner der Studien ergab sich ein Überlebensvorteil für die Patienten der HES-Gruppe gegenüber den Patienten, die mit kristalloiden Infusionslösungen substituiert worden waren, während sich andererseits ein Risiko für Nierenschädigung bei der Anwendung HES-haltiger Arzneimittel zeigte.
In der 6S-Studie* wurden Patienten mit schwerer Sepsis entweder mit HES 6 % 130/0,42 (n=398 Patienten) oder mit Ringer-Acetat-Lösung (n=400 Patienten) behandelt. Hierbei zeigte sich ein höheres Mortalitätsrisiko für die Gruppe der mit HES behandelten Patienten im Vergleich zu den Patienten, die mit Ringer-Acetat Lösung behandelt wurden (relatives Risiko: 1,17; 95 % KI: 1,01–1,36; p=0,03). Innerhalb des 90-Tage-Zeitraums wurden 22 % der Patienten aus der HES-Gruppe (87/398) mit einem Nierenersatzverfahren behandelt im Vergleich zu 16 % der Patienten aus der Ringer-Acetat-Gruppe (65/400), (RR: 1,35; 95 % KI: 1,0–1,80; p=0,04).
In der CHEST Studie** waren annähernd 7000 internistische oder chirurgische Intensivpatienten aus 32 Zentren in Australien und Neuseeland eingeschlossen, um die Sicherheit und Wirksamkeit von HES 6 % 130/0,4 im Vergleich zu 0,9 %iger Natriumchloridlösung (NaCl) zu überprüfen. Hinsichtlich der 90-Tages-Mortalität zeigte sich zwischen den Gruppen kein signifikanter Unterschied. Bedarf für eine Nierenersatztherapie bestand bei 7 % der Patienten in der HES-Gruppe und 5,8 % der Patienten in der Kontrollgruppe (RR 1,21; 95 % KI: 1,00–1,45; p=0,04). Im Vergleich zur NaCl-Gruppe war zudem die Inzidenz für neu aufgetretene Leberfunktionsstörungen in der HES-Gruppe signifikant höher (1,9 % vs. 1,2 %; RR: 1,56; 95 % KI: 1,03–2,36; p=0,03). Die Nebenwirkungsrate in der HES-Gruppe war ebenfalls signifikant erhöht (5,3 % vs. 2,8 %, p<0,001; kein 95 % KI angegeben). Erwartungsgemäß waren Pruritus und Exantheme die häufigsten Ereignisse in der HES Gruppe.
Da die Ergebnisse der beiden Studien als deutliches Signal dafür zu werten sind, dass HES in der Therapie kritisch kranker Patienten ein ungünstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis haben könnte, hat Deutschland ein Risikobewertungsverfahren auf europäischer Ebene ausgelöst, um das Nutzen-Risiko-Verhältnis von HES-Präparaten grundlegend zu überprüfen.
* Perner A et al. Hydroxyethyl starch 130/0.42 versus Ringer's acetate in severe sepsis. N Engl J Med 2012 Jul 12; 367:124
** Myburgh JA et al. Hydroxyethyl starch or saline for fluid resuscitation in intensive care; N Engl J Med 2012; 367(20):1901-11
Weitere Informationen
Details zu dem Verfahren können unter folgendem Link bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) abgerufen werden: